03.08.2013

Ein Zwischenruf:

Schultüte oder "Wunder"-Tüte?

 
 

Die Schultüte soll den Einstieg ins Schulleben versüßen. Natürlich mit Süßigkeiten, aber auch mit nützlichen Kleinigkeiten, die der Erstklässlerin/dem Erstklässler helfen, den Einstieg in das Schülerdasein als einen wirklich Schritt nach vorn zu sehen. Brotdose und Trinkflasche dürften ganz oben auf der Liste stehen, gefolgt von kleinen Büchlein mit kindgerechten Texten, einem Springseil zum körperlichen Ausgleich, Magnet- oder Haftbuchstaben für das Bilden erster Wörter oder Malkreiden o.ä.

Die Wirklichkeit hat jedoch in Form von Handys und Co Einzug gehalten. Der Einzelhandel wittert bundesweit ca. 700.000 Kunden – nur für das erste Schuljahr (vgl. aktuelle Zeitungsbeilagen). Das soziale Ranking beginnt. Man lässt sich dieses Ereignis etwas kosten: Turnschuhe, Ranzen, Schreibtisch usw. Oma und Opa bezahlen im Zweifelsfall mit. Und damit beginnt es: welche Oma? Beide oder sind es sogar drei? Eine Schulleiterin aus Ostfriesland bekam das Unverständnis und den Zorn der Eltern zu spüren, als sie wegen gegebenen Platzmangels die Zahl der Teilnehmer pro Erstklässler auf fünf begrenzen wollte. Man braucht doch aber Publikum für die Vorstellung des Nachwuchses, der „kleinen Prinzessin“ oder des „kleinen Prinzen“. Deshalb hat man sogar den ersten Schultag auf den unterrichtsfreien Sonnabend gelegt, damit auch wirklich alle Verwandten und Freunde daran teilnehmen können. Da darf auch das anschließende Festessen schon mal etwas teurer sein.
Manch eine Firmung oder Konfirmation sieht dagegen blass aus. Aber die Kirche ist schließlich überwiegend auch dabei, auch wenn man mit der Kirche sonst nichts am Hut hat. Die Besucherzahl zur Einschulung übertrifft inzwischen oft die eines kirchlichen Feiertags.

Welche Wünsche und (überzogene) Erwartungen stecken die Eltern, die gerade aktuell Erziehungsberechtigten oder die allein erziehende Mutter in die Schultüte? Was hilft dem Kind ein geschenkter Wecker zur Einschulung, wenn die Mutter kein Frühstück macht? Wer nimmt sich Zeit, um den Schulweg mit dem Kind zu üben? Wer nimmt sich Zeit für die ersten Schreibübungen, für das Zuhören, wenn es Ärger in der Schule, mit den Mitschülern, dem besten Freund oder im Schulbus gegeben hat? Wer repariert das Rücklicht am Fahrrad? Wer tröstet nach dem ersten oder zweiten Misserfolg? Wer hilft den Eltern, wenn sie überfordert sind?


Professor Sieland (Uni Lüneburg) verweist gern auf die drei „m“s: man müsste mal... In die Schultüte gehören deshalb besser vier „Z“s: Zeit, Zuwendung, Zuhören und (etwas) Zucker, damit es im wahrsten Sinne des Wortes keine „Wunder“-Tüte wird.

M. u. M. Ruhnke, im niedersächsischen Schuldienst „ergrautes“ Lehrerehepaar
Nachdruck honorarfrei!

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